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Hochsensibilität und die berufliche Selbstständigkeit – Interview mit Autorin Sandra Tissot

Selbständig und hochsensibel? Geht das? Sandra Tissot berichtet...

Die hochsensible Autorin Sandra Tissot (http://www.sandra-tissot.com/)

beschreibt in Ihrem Buch anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte den erfolgreichen Weg vom Angestelltenverhältnis in die berufliche Selbstständigkeit. Dabei geht sie intensiv auf die mit einer hochsensiblen Selbstständigkeit häufig verbundenen Fragen, Herausforderungen und genauso Chancen ein. Am Ende spricht sich die Autorin jedoch ganz klar FÜR die Selbstständigkeit aus. Wie sie zu dieser Meinung kommt, beschreibt sie im nachfolgenden Interview.

Liebe Frau Tissot,

zunächst einmal vielen Dank für dieses Interview.

Ich selbst habe vor kurzem Ihr Buch gelesen und wurde dadurch positiv für meine eigene Selbstständigkeit inspiriert. Diese Inspiration möchte ich meinen Leserinnen und Lesern mit diesem persönlichen Interview nun gerne weitergeben.

Frau Tissot, Sie selbst sind also hochsensibel und haben ein Buch darüber geschrieben. Es heißt *„Hochsensibilität und die berufliche Selbstständigkeit: Wie sich ein Sensibelchen selbstständig machte und seine Lösung für das hochsensible Berufsleben fand.“

Können Sie den Lesern, die nicht wissen, was „Hochsensibilität“ bedeutet, den Begriff kurz erläutern?

Für die Hochsensibilität oder hochsensible Personen – HSP (High Sensitive Person) existiert keine einheitliche Definition. Als Wegbereiter zur Erforschung gilt Elaine Aron, die beschreibt, dass sich Hochsensibilität durch eine besondere Empfänglichkeit gegenüber äußerer Reize auszeichnet.

Dabei handelt es sich übrigens nicht um ein Krankheitsbild, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal. HSP besitzen eine ausgeprägte, detailreiche Wahrnehmung häufig gepaart mit einer hohe Eigenverantwortung und dem Wunsch nach Unabhängigkeit. Sie legen oft großen Wert auf Gerechtigkeit, Harmonie und Gewissenhaftigkeit.

Wann bzw. wie haben Sie gemerkt, dass Sie hochsensibel sind?

Nach dem Gespräch mit einem Hochsensiblen habe ich begonnen mich intensiv mit der Thematik zu beschäftigen und einige Bücher dazu zu lesen. Schlagartig wurde mir klar, warum ich mich bislang in meinem Leben immer irgendwie „anders“ gefühlt habe. Dabei verändert die Erkenntnis der eigenen Hochsensibilität nicht alles, aber sie lässt vieles im neuen Licht erscheinen.

Sie sind ja – bevor Sie sich selbstständig machten - zunächst ins „normale Berufsleben“ eingestiegen und arbeiteten erfolgreich als Marktingleiterin in einem Unternehmen. Im Buch beschreiben Sie, dass Sie damit nicht wirklich glücklich waren. Welche Probleme traten auf?

Rückblickend würde ich sagen, ich war schlicht und ergreifend zutiefst unglücklich in dieser Zeit. Angefangen damit, dass die täglichen festen Arbeitszeiten mit einem vordefinierten Arbeitsumfeld (laut telefonierende Kollegen, das ständig laufende Radio …) und kaum Raum für Regeneration mir von Beginn an zu schaffen machten.

Besonders schwer war für mich der Umstand, dass ich ständig unter fremdgesteuerten Leistungsdruck stand. Mein Leistungsstress entstand selten durch eigenes Verschulden, sondern war häufig fremdgesteuert.

Oft war ich bereits gegen Mittag vollkommen überreizt. Aufgrund der ständigen Überreizung fühlte ich mich oft hundemüde. Ganz zu schweigen davon, dass an kreative Entfaltung oder gar Selbstverwirklichung nicht einmal zu denken war.

Irgendwann kam es wie es kommen musste, ich wurde ernsthaft krank.

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Viele hochsensible Menschen haben im Berufsleben mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Haben Sie eine Vermutung, worin die Ursache liegt?

Ja, die Ursache sehe ich in unserer Leistungsgesellschaft (höher – schneller – weiter) und dem Gedanken, dass alle wertschöpfenden Menschen gleich ticken und gleich funktionieren müssen. Da fällt eine HSP mit ihrem erhöhten Bedürfnis nach Ruhe, Harmonie und dem Wunsch etwas zu tun, dass sie mit Sinnhaftigkeit erfüllt, schnell durchs Raster.

Die Vorzüge, die ein HSP mitbringt, werden oft nicht gesehen. Es liegt selten in der Natur von Hochsensiblen sich durch eine laute Art Gehör zu verschaffen. Das vielgelobte „dicke Fell“ haben Hochsensible nicht.

Während Normalsensible mit Säbelrasseln die Karriereleiter erklimmen, arbeitet der Hochsensible mit ständigem Leistungsdruck im Hintergrund und kann daran innerlich zerbrechen.

Im Buch sprechen Sie über eine sog. „stille Abhängigkeit“ im Angestelltenverhältnis. Was meinen Sie damit?

Hochsensible sind in ihrem Inneren oft Freigeister. Werden sie „an die Leine“ genommen, kommt es gerade im klassischen Angestelltenverhältnis nicht selten zu einer „stillen Abhängigkeit“.

Sie sind still abhängig von der Gunst des Chefs, der Kollegen, den Geschäftspartnern – das geht bei der Terminplanung los, erstreckt sich über die Art, wie Projekte bearbeitet werden (Zeitpläne werden von anderen gemacht, leider selten eingehalten, es mangelt an Pufferzeiten etc.), bis hin zu vorgeschriebenen Ruhephasen (feste Mittagspause zu bestimmter Uhrzeit, vordefinierte Urlaubsplanung).

Nach längerem Überlegen beschlossen Sie, Ihre Stelle als Marketingleiterin zu kündigen und sich selbstständig zu machen. Was war die Initialzündung für diesen Entschluss?

Es gab zunächst nicht die eine, konrekte Initialzündung und verlief eher nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass es falsch ist, auf den perfekten Moment oder das einschneidende Schlüsselerlebnis zu warten. Bei mir hat letztendlich dann die Diagnose der Autoimmunerkrankung zusätzlich zum Umdenken beigetragen.

Im Buch beschreiben Sie Ihren Schritt in die Selbstständigkeit als „Befreiungsschlag“. Mit welchen Chancen - aber auch Herausforderungen - ist man als hochsensibler Mensch konfrontiert, wenn man die (vermeintliche!) Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses verlässt?

Die Chancen liegen für HSP ganz klar in der Selbstverwirklichung, die erst möglich wird, wenn sie ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand nehmen und auch täglich leben können. Wenn das gelingt, kann das eigene Lebensglück ganz neu empfunden werden. Natürlich gibt es eine Menge Herausforderungen, die stark auch mit den vielfältigsten Zweifeln verbunden sind wie, „Schaff ich das überhaupt?“, „Wie plane ich meine eigene Arbeit?“, „Was ist, wenn mir die Aufträge fehlen und ich kein Geld verdiene?“

Entscheidend ist das geplante Vorgehen, denn eine Kündigung des Jobs aus einer Laune heraus, ist niemals ratsam. Die gesunden Zweifel sind ebenfalls von Vorteil, wenn vielleicht auch erst auf den zweiten Blick. Sie bewahren HSP vor Fehlentscheidungen und lassen sie in Ruhe alles durchdenken.

Das A und O ist eine gute Vorbereitung der beruflichen Selbstständigkeit, insbesondere Recherchearbeit, Behördengänge sowie Businessplan gehören hier dazu.

Wenn so die Selbstständigkeit „heranreift“, Chancen sowie Herausforderungen und Risiken in einem realistischen Konsens stehen, sind das gute Voraussetzungen für eine langfristig erfolgreiche Selbstständigkeit. Dabei macht es übrigens auch Sinn, dass Gespräch mit anderen Selbstständigen, die von ihren Erfahrungen berichten oder Hilfestellung leisten können, zu suchen.

Darüber hinaus gibt es Coaches, die auf hochsensible Unternehmensgründer spezialisiert sind. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit anderen HSP, die den Sprung in die Selbstständigkeit bereits gemeistert haben, lassen sich viele Herausforderungen Schritt für Schritt bewältigen.

Hochsensible Menschen haben häufig ein ausgeprägtes Intuitionsvermögen. Inwiefern spielt dieses in der Selbstständigkeit eine Rolle?

Die Intuition ist bei Hochsensiblen stark ausgeprägt und ist ein zuverlässiger Begleiter in der Selbstständigkeit. Das Vertrauen in die eigene Intuition ist ein wichtiger Indikator für den Geschäftserfolg.

Gerade ein schlechtes Bauchgefühl, bei objektiv gerade nicht erklärbarem Grund, trügt selten und kann HSP vor größeren Fehlern bewahren. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass sie ihrer Intuition folgen.

Worauf müssen Hochsensible besonders achten, wenn sie selbstständig sind?

Insbesondere auf sich selbst, denn HSP neigen zum Perfektionismus und dazu, sich selbst zu überanstrengen, insbesondere wenn sie für etwas „brennen“. Hochsensible sollten Ruhepausen einplanen, achtsam mit sich selbst umgehen und sich Ihre persönliche Arbeitsatmosphäre schaffen.

Dabei können Sie auch beim Arbeitspensum auf Ihre Intuition vertrauen. Die Gefahr, dass eine hochsensible Persönlichkeit zu „faul“ für die Selbstständigkeit ist, besteht quasi nicht.

Sie behaupten, „Mompreneurin“ (= Vollzeitmutter und zeitgleich selbständig) zu sein, ist für hochsensible Mütter unrealistisch. Woran machen Sie das fest?

Ich möchte nicht abstreiten, dass es diese Frauen gibt und ich ziehe meine Hut vor ihn, aber sie zahlen einen hohen Preis. Denn egal wie diszipliniert, organisiert oder motiviert sie auch sind, die beiden vollkommen unterschiedlichen Lebensbereiche Vollzeitarbeit und Familie lassen sich nicht ohne weiteres vereinbaren. Zumindest nicht, ohne das irgendwo Abstriche gemacht werden.

Hinzu kommt das erhöhte Bedürfnis von HSP nach Ruhephasen. Nur wenn Abstriche gemacht werden und die Selbstständigkeit auch Unterstützung im Familiengefüge erhält, lässt sich eine selbstständige Arbeit gut mit dem Familienleben vereinbaren. Sich das als Hochsensible einzugestehen, ist wenig dramatisch und der erste Schritt, eine berufliche Selbstständigkeit dauerhaft ausführen zu können.

Wir sind Hochsensible, oft mit hochsensiblem Nachwuchs, die individuell entscheiden müssen, was sie sowohl beruflich als auch privat imstande sind, gerade leisten zu können. Dabei geht mit einem Lächeln vieles leichter, insbesondere wenn Ansprüche und Erwartungen nicht zu hoch geschraubt werden. Es ist bei Weitem nicht alles perfekt, und es wäre auch schade, wenn alles so vorbildlich wäre.

In Ihrem Buch widmen Sie auch dem Thema Glück ein Kapitel und führen unterschiedliche Zitate dazu auf. Eines, das mich besonders anspricht ist dieses von L.N. Graf Tolstoi: „Das Glück besteht nicht darin, dass du tun kannst, was du willst, sondern darin, dass du immer willst, was du tust.“ Was bedeutet für Sie persönlich Glück?

In meinem Buch beschreibe ich die unerträgliche Sinnlosigkeit die mit einem vorgeschriebenen, gleichbleibend, alltäglichen Rhythmus ohne Sinnhaftigkeit einhergeht. Für mich persönlich bedeutet Glück, dass ich selbstbestimmt mein Leben führen kann, dabei frei nach Tolstoi immer will, was ich tue.

Meine Aufgaben erfüllen mich mit Sinnhaftigkeit. Die Grenzen zwischen meinem Privatleben und der Arbeit sind fließend, heute oft so sehr, dass ich meine Arbeit gar nicht als Arbeit, sondern als persönliche Bereicherung empfinde.

Auch ein Grund dafür, dass ich gerade an meinem zweiten Buch schreibe. ;) – das für mich pure Lebensfreude bedeutet und mich glücklich macht.

Nicht jeder Hochsensible hat den Mut, sich selbstständig zu machen und bleibt lieber im Angestelltenverhältnis. Wie sollte die Arbeitswelt sein, die Sie sich für hochsensible Menschen wünschen?

Selbstbestimmt und eigenverantwortlich mit der Möglichkeit flexibler Arbeitszeitgestaltung – unter diesen Bedingungen lässt die Arbeitswelt hochsensiblen Menschen den nötigen Freiraum zur Entfaltung und vor allem zur Entfaltung der hochsensiblen Gaben wie Empathie, Kreativität, vernetztes Denken oder eine differenzierte Wahrnehmung …

Liebe Frau Tissot, vielen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg!

P.S. Du willst die Leseprobe zum Buch lesen? Du findest sie HIER. Du willst mehr über die Autorin erfahren? Du findest es HIER. Du traust dich noch nicht so recht und bleibst erstmal im Angestelltenverhältnis? Dann schau HIER, was du als Hochsensible dabei beachten solltest.

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